Der
Nieder-Ramstädter Steinbruch könnte zur Goldgrube
werden, wenn es das Regierungspräsidium
genehmigte, sie mit allerlei Bauschutt und Erde zu
verfüllen – ein Prozess, der sich über Jahrzehnte
hinzöge und zumindest die unmittelbare
Nachbarschaft beträfe. Die Odenwälder
Hartstein-Industrie (OHI), die das Loch in
Jahrzehnten aus dem Felsen gesprengt und mit den
Steinen für den Schienen- und Straßenbau Schotter
gemacht hat, war schon fast am Ziel.
Hätte man dem Unternehmen von Seiten der
Behörde unter Auflagen erlaubt, das Wasser aus dem
See zu pumpen, wären nicht im letzten Moment
Zweifel über die Zulässigkeit aufgekommen, hätte
die OHI nicht mit einer abenteuerlichen
Baumfällaktion am Grubenrand die Öffentlichkeit,
Behörden und Umweltgruppen auf die Pläne
aufmerksam gemacht, die Rechnung wäre
wahrscheinlich sogar aufgegangen. Der Steinbruch,
vor rund 30 Jahren still gelegt und das Gelände
mit Stacheldraht gegen Eindringlinge abgesichert,
war in aller Abgeschiedenheit, und dennoch in
unmittelbarer Nähe zu Nieder-Ramstadt, zur für den
Bürger verschlossenen Naturoase geworden.
Vor allem die Nachbarn des mit Wasser
vollgelaufenen Lochs wollen nun verhindern, dass
der Betreiber OHI den Steinbruch zum zweiten Mal
zu Geld macht, die Natur zerstört, die sich seit
der Stilllegung rund um die Steilwände
ausgebreitet hat. Denn sie befürchten, dass die
OHI eine Menge Lärm und Staub verursachen könnte,
wenn sie sich mit ihren Plänen durchsetzt. Der
klassische Interessenkonflikt und in Mühltal
nichts Ungewöhnliches.
Um den Steinbruch (rechtlich ein
Landschaftsschaden) vor dem Verfüllen zu retten,
hat sich jetzt auch eine Interessengemeinschaft
als Verein gegründet. Es ist die Eigenart solcher
Gruppen, sich Wahrheit so zurecht zu legen, dass
sie zum eigenen Weltbild passt. Dazu gehört die
Verteufelung des Gegners ebenso wie das Entwerfen
von Schreckensszenarien. Ein Beispiel liefert
hierbei der Streit um einen Ausbau des Traisaer
Golfplatzes im nahen, der Landwirtschaft
vorbehaltenen Mittelbachtal; ein weiteres der
jahrelange Konflikt um die Grube Messel, wo ums
Haar das Fenster zur Erdgeschichte mit Müll
zugeschüttet worden wäre.
Es ist Augenwischerei, den Steinbruch als
„Naherholungsgebiet“ zu bezeichnen, weil das
Gelände für Erholungsuchende gar nicht zugänglich
ist und auch nie sein wird (es sei denn, die OHI
käme ihrer Verpflichtung nach, den Schaden unter
Auflagen auf ihre Kosten zu reparieren). Die Grube
ist im derzeitigen Zustand nämlich nicht nur
bizarr schön, sondern auch ziemlich gefährlich.
Weshalb sie seit Jahren Ziel von Menschen ist, die
ihrem Leben durch den Sturz von den Steilklippen
ein Ende setzen. Ein Stacheldraht soll unter
anderem Lebensmüde fern halten. Er schafft aber
auch ein Reservat für angeblich bedrohte
Tierarten. Und die Nachbarn, in den Jahren der
Betriebsstille gekommen, hätten auf ewig Ruhe –
zum Nachteil des Besitzers.
Das Beispiel lehrt, dass Betreiber solcher
Anlagen sich davor hüten müssen, jemals Gras
darüber wachsen zu lassen.